Sonntag, 11. Dezember 2011

Wandel oder Stagnation

Jeder versteht unter dem Begriff etwas anderes. Ursprünglich benennt er ausschließlich einen objektiven Mangel an verfügbarem Einkommen um den Bedarf an existenziellen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Kleidung oder einer Wohnung zu decken. Manche sehen in ihm darüber hinaus gleichbedeutend das drängendstes Motiv von Kriminalitätsdelikten oder etikettieren Empfängern von Arbeitslosengeld II den Begriff widerspruchslos ans Revers. Wiederum andere nehmen Sie lediglich als Problem der Wenigen wahr, von Menschen, die sich nicht genügend angestrengt haben: Armut.

„Das Gesetz macht alle auf erhabene Weise gleich. Es verbietet allen Menschen, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln oder Brot zu stehlen - den Armen ebenso wie den Reichen.“ 
(France, französischer Schriftsteller)

Vielleicht ist der eine oder andere schon einmal durch die mächtigen, grauweiß getünchten Wohnsilos in boulevardbekannten Gebieten wie auf dem Kölnberg in Köln-Meschenich oder den Blocks am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg gegangen. Aus dem Auto heraus, weisen dunkel heruntergekommene Straßenschluchten den Weg, deren Einwohner durch die Gentrefizierung immer weiter aus den Stadtzentren an die Peripherien vertrieben werden. Jeder kennt die Stadtteile in Deutschland, in denen eine hohe Arbeitslosigkeits-, Migrations- und Kriminalitätsquote um den ersten Platz konkurrieren.

Doch auch hier wohnen Menschen, deren personalisierte Armut nicht den Scripted Reality Soaps des Privatfernsehens oder dem Printboulevard überlassen werden darf. Der allgegenwärtige – in seiner ureigenen Form passive – Voyeurismus reißt immer erschreckendere Marken und transportiert Botschaften mit perfiden Chiffren  à la – „Schau an, wie die leben, gottseidank haben wir es besser“.

Ältere Menschen, die keinerlei Kontakt zur Außenwelt besitzen, keinerlei soziale Interaktion genießen, verschwinden gewollt oder ungewollt aus unserem Blickfeld und vegetieren sich selbst zur Bahre. Flüchtlinge und Asylbewerber  kommen in unserem täglichen Umfeld praktisch nicht vor, obwohl die Größenordnung dies vermuten lassen würde.[1] Vom sichtbaren Prekariat in manchen Stadtbezirken ganz zu schweigen. Gesellschaftliche Teilhabe, selbst passive, ist so in vielen Fällen nicht mehr möglich. Eine unvorstellbar große Zahl an Menschen wird so zurück gelassen. 

Die unterste Kaste der Armut  paktiert so von uns allen zurückgelassen mit einer bereits heute verlorenen Hoffnung auf die Zukunft.



[1] http://www.bundestag.de/presse/hib/2010_02/2010_037/02.html

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