Sonntag, 14. Oktober 2012

Antwort auf Bernd Ulrich: Kreuz mit Haken. DIE ZEIT Nr. 42 / 11.Oktober 2012

Woher rührt diese Arroganz mit der Herr Ulrich spricht, wenn er frontbildlich schreibt, dass die Bundesrepublik trotz des eisigen Windes, der ihr entgegenweht, für die europäische Solidarität steht? Eher grotesk erscheint sie mir aufgrund der bestehenden Verhältnisse. „Wir müssen beileibe nicht dafür gelobt werden, dass [wir] anderen Ländern unter die Arme greifen“. Nur weil Opponenten des Bundestages den Fiskalpakt populistisch in „Hartz 4 für Europa“ kleiden, ist die Botschaft dahinter nicht obsolet.

Samstag, 6. Oktober 2012

Wo hört dein Horizont auf

Wenn du doch alles weißt
dann erkläre mir doch bitte

warum ist es möglich
in der Öffentlichkeit

immer noch

von Asozialen und Parasiten zu reden
über 60 Jahre nach den schwarzen Winkeln

du Arschloch

Montag, 1. Oktober 2012

Manifest für ein linkes Europa

Wir fordern ein neues Europa
jenseits des rechten common sense

Wer uns zur Reaktion zählt
fürchtet sich vor den Citoyen der Union
für die das Mittelmeer keine Menschenrechtsgrenze
und der Evros eine unmenschliche Ostgrenze darstellt

Wir fordern ein politisches Europa
für das Fortschritt nur ein rechtes
aber kein wahres Ziel ist
und Maastricht vor allem den Bürgern nützt

Wir fordern ein konsequentes Europa
dessen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
den Protest junger Griechen, Spanier und Portugiesen
ernst nimmt und nicht klein redet

Wir fordern ein friedliches Europa
dass den Ahmadinedschads und Al Assads
das stolze Gesicht des Friedens entgegenreckt
und keine strategischen Dikaturen mit Waffen stabilisiert

Wir fordern ein soziales Europa
mit gleichen Lohn- und Steuertarifen
aus dessen Mitte eine Generation von
Weltbürgern erzogen wird

Wir fordern ein selbstbewusstes Europa
das so lange von den Eliten bestritten wurde
bis es nicht mehr zu verheimlichen war
als wäre dies Projekt eine verwirrte Schande

Wir fordern ein neues Europa

Freitag, 28. September 2012

Das große Fressen

Die Angst der Moral scheint über die Feuilletons
hinaus im Biedermeier angekommen

Glücklich, wer das Heute genießt
und, was vorbei ist, vergisst.

Warum entfernt sich unser Leben
mit jedem weiteren Tage
von unserer Unschuld
selbst wenn wir wieder unschuldig werden

Warum werden Menschen nie wieder frei
wenn sie einmal gesündigt haben
und nun Vergebung erwarten
Die Moral kommt nicht 
nach dem Fressen

die Moral frisst

unsere Unvernunft 
unsere kleinen Affären 
und alle Momente unserer vermeintlichen
Schwächen

und hinterlässt uns stattdessen

nostalgisch verzierte Momente im Fotoformat
die uns blass aus der Brieftasche
entgegen grinsen

Dienstag, 18. September 2012

Scherbengericht

Wenn das Herz sprichwörtlich

bricht

was geht dann zu Bruch
und warum sind
bei einem Neubeginn 

keine Risse
zu sehen

Samstag, 8. September 2012

Melancholia

Wenn der Lauf deiner Tränen

auf dem Bande deiner Lippen
langsam versiegt
und sie sich gleichzeitig öffnen
um deine Lungen mit warmen Atem
zu füllen
und Feuchtigkeit aus dir zu treiben
dann erst
ist der letzte Schritt getan
vergib mir

Sonntag, 2. September 2012

Wertegemeinschaft

Was meint Zivilisation
Abgrenzung

Was meint Solidarität
Flüchtlingslager

Was bedeuten Menschenrechte
Exklusivität

Was zählen denn Gleichheit & Brüderlichkeit
für Wasserleichen im Mittelmeer?

Das ist nicht mein Europa

Samstag, 18. August 2012

Kompetenzraster

Bildungsökonomie als mehrheitsfähige
Proklamation findet nicht nur in libertären
Hansestädten ihre wortmächtigen Trommler

Die Modularisierung als effizienteste Methode
um den Output zu erhöhen
verstärkt den Wunsch der Eliten nach
Wunschlisten in Tabellenform

Der Monitor als Sinnbild ihre Benotung
wertet blanke Fassade
und bildet lediglich ab
wo gebildet werden soll

Widerstand dem Zeitmanagment!


Donnerstag, 16. August 2012

Der Grund

Was denkst du wohl
ist der Grund

Was fühlst du wohl
ist der Grund

Was vermutest du wohl
ist der Grund

Der Grund

bist
Du

Dienstag, 14. August 2012

Sonntag, 5. August 2012

Stille Bruder

Ein letztes europäisches Jahrhundert beginnt
und gleichzeitig endet eine Enklave der Geschichte
600 Jahren vergingen wie im Fluge

Wie wichtig wäre es nun
die anderen wohlwollend
und zurückhaltend
überholen zu lassen

Wie untypisch
das aber doch wäre
für uns

Sie werden kommen
die humanitäre Einsätze für unseren Luxus

Der Anspruch zur Führung
unserer Freiheit

verteidigt im Namen der Menschenrechte

Samstag, 28. Juli 2012

Schatten

Wenn Augen voller Klarheit, Tiefe und Traurigkeit

die Frage aussprechen
die Frage aller Fragen
dann schmerzt es so sehr
den Blick zu senken
demutsvoll
und zu denken
für uns ist es zu spät

Und Melancholia vollführt einsam
den schweren Weg hinab zum Hades
Zu einem Orte an dem weder Licht noch Zeit
eine Rolle zu spielen vermag

Einem Ort
an dem Tränen gefrieren und Leben
nie wieder

stattfindet

Mittwoch, 11. Juli 2012

Liquid Democracy

Die ganze Berliner Republik
schaut gar faustisch auf die neuen Grünen
im vorgeblich umstürzlerischen Gewande

Obwohl doch die zweite Frau im Staate
bereits verdächtig verkörpert
was an Populistischem
von den jungen Freibeutern
erkennbar wird und tritt damit
des Gaskumpanens von der anderen Seite
fragwürdiges Erbe an
und geleitet es zur Perfektion

Höre ins Volk
verdichte präsidiales Irren
zu scheinbarem Pragmatismus
und zum Wohle aller

doch warte so lange 
bis dein Ergebnis führe
zum Todesstoß der Utopie

Samstag, 5. Mai 2012

Oktoberfest im Mai

Wenn Bier für die Damen
und Blumen für den männlichen Teil
der Schöpfung dargereicht werden
ist Gender tatsächlich Postmoderne

Wider des Einzelnen

Ist doch das sauwarme Wälzen des modernen Piraten
Im Schlamm der Ideologie des Neo-Modernismus
Mehr schlecht als recht für seine Anhänger

Wider des Experten

Die Angst vor dem Untertanengeist
der wichtigsten Eigenschaft eines Meeressoldaten
zeigt sich im pubertären Schwärmen
für den kopflosen Schwarm

Wieder des Repräsentativen

In einer Partei
In der Beschlüsse lediglich
von monetären und entfernungspezifischen
Vermögen jedes Einzelnen abhängen
und von einer äußerst geringen Minorität
verabschiedet werden
wird gehandelt

Wider der Vernunft

Mittwoch, 4. April 2012

Note an die Deutschen

Liebe Grassazins,

Sprecher für eine schweigende Mehrheit können alle sein
Das gute an der Mehrheit, die schweigt
ist doch die, dass jeder
sie für sich vereinnahmen kann

Beileibe keine Gleichschaltung
deutscher Medien
aber eben auch kein einfaches 2+2
einer Meinungsführerschaft konservativer Medien
führen zur Antwort auf die Frage

warum nicht unterschieden wird zwischen Israel
einer gewählten Regierung oder gar allen Juden

warum nicht unterschieden wird zwischen Moslems
arabischen Mitbürgern und einem gewalttätigen Islam

Die Frage nach dem Anti-
oder dem Philosemiten
ist deswegen an dieser Stelle falsch
wie augenscheinlich exemplarisch
für die andere, wichtigere Frage

wem oder was
wir Deutschen wieder
hörig geworden sind

Samstag, 31. März 2012

Sandkastenspiele im Vierjahresturnus

Wann finden deine Augen den Weg zu mir
deine Hände die Wärme meines Bildes
Zeitlose Momente vergehen
Bis uns die Spannung zusammen führt
Und du mein Leben mit Inhalt füllst

Doch bereits in der ersten Blase entsteht der tragische Riss
Aufgrund dessen nie etwas großes Entstehen kann
Bedingt durch der Ungewissheit
Wann du gehen wirst
Wie der Gewissheit
das du es tun wirst
und jemand neues kommt
das vor dem ersten Schritt bereits der letzte folgt
geschrieben in den Regeln des ewigen Spiels

und obwohl in der nächsten Runde
die freigewordene Lücke
die mitnichten kleiner geworden ist
doch wieder niemand zu schließen vermag
bleibe ich im Spiel

Dienstag, 28. Februar 2012

Trauma

Inmitten seiner Käfige erscheint die Vergangenheit
geordnet und doch unscharf

In bestimmten Augenblicken jedoch
erwartet das wiederkehrende taube Moment des Schicksals
eine klare Entscheidung
für oder wider des europäischen Gewächses
Doch weil du nicht weißt wie

Deine Entscheidung braucht Brüder und Schwestern
und je länger sie treibt desto lauter
zerbricht die Stille der heraufziehenden Nacht
in der Straße der Kaufleute
hinauf durch die kalten Fenster
in den letzten Stock unter dem Dach
deinen Mut

Mir frieren die Gedanken ein
Einzig einer trägt meine Finger
An den Knopf
Du

Montag, 20. Februar 2012

Die Täuschung liegt hinter unseren Augen

Es geht gen Osten
Straßen wie aus Sand
Konturenlos, rau
Babylonische Zeichen

    Es riecht wie damals
    als ob der erste Besuch
    bereits vor vielen Jahren
    stattgefunden hätte

Doch ist keine Heimat in dieser Erde
Nur blasse Vergangenheit
Die darüber an den Gräsern haftet

    Am Horizont die dunklen Buchenwälder
    Stille Ruinen überlebter Träume
    Dicht an dicht in ihrer Mitte versenkt

Die Stille schluckt so manche Träne
der bereits leicht feucht heraufziehenden Nacht
Leise Lieder, Hymnen klingen über deine Seen
Du Land der Einsamkeit

Donnerstag, 16. Februar 2012

Sonntag, 12. Februar 2012

Fortschritt

   Ein Leben wie auf Rädern

                           Immer in Bewegung

                                    Fast unmöglich zum Stillstand zu kommen
        Und stehen zu bleiben

            Das fragile Gleichgewicht
als Zufallskonstrukt
                                    jederzeit im Begriff
                       zerstört zu werden

Samstag, 28. Januar 2012

Freiheit im Herzen

Die Philosophie des Reisens
Lässt sich in drei Varianten
erleben

       Der Aufbruch

             Die Reise

                  Das Ankommen

Du musst die Tage überdauern
an denen das Atmen schwerfällt
und die Stimmen aus deinem Kopf vertreiben
Es ist der richtige Weg

      Vermutlich

              Der einzige

                    für dich

Sonst nehme den nächsten
In die andere Richtung

Freitag, 27. Januar 2012

Darf hier noch die Sonne scheinen

Unvorstellbarer Gräuel
das Gleisbett auf dem Züge aus
ganz Europa endeten
umrahmt von hunderten Holzbaracken
und heute noch unzähligen Schornsteinen

8.000 Mitarbeiter
1.000.000 Tote

Wie ist das bloß möglich gewesen

Samstag, 21. Januar 2012

Kulissenkritik

Einfache Halbwahrheiten und Ausflüchte
tummeln sich in der hell erleuchteten Manege
im Angesicht des geifernden Publikums

Klatschend und johlend fordern wir vom
Dompteur einer entglittenen Zeit
Oberflächlichkeit als Hintergrundrauschen

Die üblichen Verdächtigen führen
mit allzu bekannten Requisiten
einen sich ewig drehenden Reigen
um die neuste Kunde des Herrn in schwarz

Amüsantes legt sich bedächtig wie Tau
auf alles Investigatives und Differenziertes

Die schwere Decke des Entertainments
erdrückt die sich erhebende Hand
des kritischen Wortes
und der sich gebietenden Zweifel

mit unserer voller Zustimmung

Mittwoch, 18. Januar 2012

Zynismus in vier Wänden

Mir frieren die Gedanken ein
Einzig einer trägt meine Finger

Hunderte
Tausende

Immer wieder

An der verriegelten Tür
klopft das Milieu mit D-Rating

Hunderte
Tausende

Immer wieder

Montag, 16. Januar 2012

Wider der Ausleuchtung

Transparenz schafft kein Vertrauen

im Gegenteil

Wir vertrauen den Personen
über die wir nicht alles wissen

Transparenz muss erst geschaffen werden
Wenn das Vertrauen
In Personen und Institutionen
Längst zerstört worden ist

Ideologische Transparenz schafft Kontrolle
ein Klima des Verdachts

und damit die Freiheit
ab

Freitag, 13. Januar 2012

Zuversicht am Golf

Den letzten Spatel der Vollendung erfährt
das schönste Werk der Menschheit
erst im direkten Angesicht
ihres stärksten Widersachers

des Menschen selbst

Nun erst zeigt er sich
in seiner ganzen Entwicklung
Er ist erwachsen geworden
in seiner Hoffnung auf Frieden

Der Krieger wird nicht kommen

Sonntag, 8. Januar 2012

Romantisierendes Obdach

Zartes Sonnenlicht zerbricht auf ihren kalten Wangen          
Unter dem blauen Saum einer Mütze blinzeln kleine Augen
dem Erwachen eines weiteren anonymen Tages entgegen
eine elegische Narration in zuverlässiger Endlosschleife

Das zusammengewürfelte Inventar des Überlebens
benetzt durch den feuchten Film der sterbenden Dunkelheit
festgezurrt unter stummen Blicke der ersten Meisen
bedient unser vernebeltes Synonym von urbaner Armut

Die bleiernen Schritte aus dem zweckentfremdeten Obdach heraus
Begleiten die Ungewissheit ob das Lager am Abend noch besteht

Die Kommunikation unter Gleichgesinnten als einzige
zwischenmenschliche Verbindung überhaupt
abgesehen vom demütigen Antlitz vorbeiziehender Personen
die vermummt mit namenloser Blicken
mit euphemistische Panoramen vor dem inneren Auge
über sie hinweg schauen

So versuchen beide Teile des Ganzen ihrer Würde
gerecht zu werden und doch
ihre Blicke treffen sich nicht
bis zum Abend an dem die Augen zur Nacht erblinden

Donnerstag, 5. Januar 2012

Historizität der deutschen Frage

Die Frage nach einem angemessenen
Umgang mit der deutschen Vergangenheit
Explizit mit der Zeit ist eine sehr regelmäßige
Frage – unvorstellbar und verständlich zugleich

Moralvorstellungen ändern sich

Eine Erinnerungskultur in der Homosexualität
Lange Zeit ein Straftatbestand war und dadurch
jegliche Anerkennung eines Opferstatus ausschloss

Sensibilitäten ändern sich

Der Bau und darüber hinaus die Rehabilitierung
von Gefängnissen auf ehemaligen Arealen von
Konzentrationslagern aufgrund pragmatischer
Kalkulationen der Kosten und Nutzen

Fragen ändern sich

Früher habt ihr gefragt
Warum kann nicht endlich ein Strich
unter die Vergangenheit gezogen werden

Heute müssen wir fragen
Warum konntet ihr keinen Strich
unter eure Vergangenheit ziehen

Mittwoch, 4. Januar 2012

Seelenleiden

Wenn ich darüber nachdenke
     Noch eine Brezel
Worüber ich täglich rede
     Herzlich Willkommen
Wird mir elend im Herzen
     Eine halbe Stunde vorher

Routinierte Sprachkonserven
     Den Versicherungsschein bitte
Unter Qual herausgepresst
     Toiletten im Erdgeschoss
Konserviert in gefrorenem Lächeln
     Brücke 3 , Nummer 62

Für jämmerliches Geklimper
     Acht Euro achtzig

schwärzer könnte die Nacht kaum zeichnen

Montag, 2. Januar 2012

Vision Europa

Das Konzept des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, unveräußerliche Menschenrechte oder auch die Reisefreiheit im Schengenraum sind allesamt außerordentliche Segnungen für die Völker Europas und einzigartig in der Geschichte dieses Kontinents. Trotzdessen müssen die immer lauter werdenden Rufe nach der intellektuellen Elite, die Europa vorm politischen und gesellschaftlichen Abgrund bewahren –  und gleichwohl einen identifikatorischen Zusammenhalt schaffen sollen –  scheitern.

Ein geistiges Europa hat es nie gegeben.