Niemand ist unfehlbar. Doch trotz seiner offensichtlich
moralischen Verwerfungen sollte man sich zweimal überlegen, ob und wann man den
Rücktritt des ersten Mannes im Staat fordert.
Wir erwarten von unseren Politikern – zu Guttenberg war das letzte prominente
Beispiel – eine bedingungslose und puritanische Selbstausfassung von
Ehrlichkeit, Redlichkeit und Charakterstärke. Also etwas, zu was die Mehrheit
der Bevölkerung nicht ohne weiteres im Stande ist.
Ein Volk von Steuertricksern beschimpft Klaus Zumwinkel. Natürlich
haben Sie Recht, die Kritiker: Unrecht bleibt Unrecht. Aber die
Verhältnismäßigkeit sollte immer gewahrt bleiben. Diese wird durchlöchert, wenn
Banker und Manager als Sündenböcke herhalten müssen, obwohl und trotzdessen wir
selbst immer höhere Renditen auf unsere Anlagen, Aktien und Fonds erwarten und
damit die Gier erst geboren haben. Ein Widerspruch zum berechtigten Verlangen einer
aufrichtigen und gesetzestreuen Haltung vom Bürger an die Abgeordneten entsteht
dabei dennoch nicht. Vielmehr ist die Doppelzüngigkeit gefährlich, regt sie
doch Ressentiments, die nicht gestillt werden,
sondern nur durch die nächsten überlagert werden.
Es wäre an erster Stelle der Schaden des Amtes des Bundespräsidenten,
wenn nach Horst Köhler im Mai 2010, nur
knapp 20 Monate später der nächste Präsident die Bühne räumt. Wir hätten zwar nicht gleich Weimarer
Verhältnisse. Aber doch ist es beängstigend, wenn vor knapp einem Jahr ein Präsident
gehen musste, weil er verklausuliert von wirtschaftlichen Interessen der
Bundesrepublik sprach, die auch militärisch gewahrt werden müssen. So unerträglich
manche diese Aussage auch finden mögen, sie ist Realität. Köhler wurde auch
durch das aufziehende Mediengewitter gestürzt, das durch Politiker
unterschiedlicher Couleur multipliziert wurde. Die Verbindung zwischen Ihm, dem
verhängnisvollen Verhalten von zu Guttenberg im Zuge seiner Plagiatsaffäre und
dem bewusstem Verschweigen des Privatkredit eines Unternehmerfreundes von Wulff
gegenüber dem Niedersächsischen Landtag erschließt sich erst auf den zweiten
Blick:
Nämlich, in der allzu bekannten menschlichen Neigung,
negativen oder anders gesagt, voraussichtlich unangenehmen Dingen und auch
Wahrheiten aus dem Weg zu gehen, auch wenn Sie für Außenstehende unausweichlich
erscheinen.
Auch wenn die Rede von Joachim Gauck im Deutschen Theater
in Berlin am 22.06 letzten Jahres zeigte, was für Fähigkeiten er mitbringen
würde und dass mit ihm wahrscheinlich auch ein intellektuell weitsichtigerer
Kandidat ins Amt gebracht wäre, beginnt es zu allererst bei uns selbst, zu
fragen, welche utopischen Maßstäbe wir an unsere Volksvertreter richten und ob
wir damit noch selbst in den Spiegel schauen können.
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