Samstag, 17. Dezember 2011

Der gefährliche Ruf nach Gauck

Niemand ist unfehlbar. Doch trotz seiner offensichtlich moralischen Verwerfungen sollte man sich zweimal überlegen, ob und wann man den Rücktritt des ersten Mannes im Staat fordert.
Wir erwarten von unseren Politikern –  zu Guttenberg war das letzte prominente Beispiel – eine bedingungslose und puritanische Selbstausfassung von Ehrlichkeit, Redlichkeit und Charakterstärke. Also etwas, zu was die Mehrheit der Bevölkerung nicht ohne weiteres im Stande ist.

Ein Volk von Steuertricksern beschimpft Klaus Zumwinkel. Natürlich haben Sie Recht, die Kritiker: Unrecht bleibt Unrecht. Aber die Verhältnismäßigkeit sollte immer gewahrt bleiben. Diese wird durchlöchert, wenn Banker und Manager als Sündenböcke herhalten müssen, obwohl und trotzdessen wir selbst immer höhere Renditen auf unsere Anlagen, Aktien und Fonds erwarten und damit die Gier erst geboren haben. Ein Widerspruch zum berechtigten Verlangen einer aufrichtigen und gesetzestreuen Haltung vom Bürger an die Abgeordneten entsteht dabei dennoch nicht. Vielmehr ist die Doppelzüngigkeit gefährlich, regt sie doch Ressentiments, die nicht gestillt werden, sondern nur durch die nächsten überlagert werden.

Es wäre an erster Stelle der Schaden des Amtes des Bundespräsidenten, wenn nach Horst Köhler im Mai 2010, nur knapp 20 Monate später der nächste Präsident die Bühne räumt. Wir hätten zwar nicht gleich Weimarer Verhältnisse. Aber doch ist es beängstigend, wenn vor knapp einem Jahr ein Präsident gehen musste, weil er verklausuliert von wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik sprach, die auch militärisch gewahrt werden müssen. So unerträglich manche diese Aussage auch finden mögen, sie ist Realität. Köhler wurde auch durch das aufziehende Mediengewitter gestürzt, das durch Politiker unterschiedlicher Couleur multipliziert wurde. Die Verbindung zwischen Ihm, dem verhängnisvollen Verhalten von zu Guttenberg im Zuge seiner Plagiatsaffäre und dem bewusstem Verschweigen des Privatkredit eines Unternehmerfreundes von Wulff gegenüber dem Niedersächsischen Landtag erschließt sich erst auf den zweiten Blick:
Nämlich, in der allzu bekannten menschlichen Neigung, negativen oder anders gesagt, voraussichtlich unangenehmen Dingen und auch Wahrheiten aus dem Weg zu gehen, auch wenn Sie für Außenstehende unausweichlich erscheinen.

Auch wenn die Rede von Joachim Gauck im Deutschen Theater in Berlin am 22.06 letzten Jahres zeigte, was für Fähigkeiten er mitbringen würde und dass mit ihm wahrscheinlich auch ein intellektuell weitsichtigerer Kandidat ins Amt gebracht wäre, beginnt es zu allererst bei uns selbst, zu fragen, welche utopischen Maßstäbe wir an unsere Volksvertreter richten und ob wir damit noch selbst in den Spiegel schauen können. 


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