Das Konzept des Raums
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, unveräußerliche
Menschenrechte oder auch die Reisefreiheit im Schengenraum sind allesamt außerordentliche Segnungen für die Völker Europas und
einzigartig in der Geschichte dieses Kontinents. Trotzdessen müssen die immer lauter werdenden Rufe nach der
intellektuellen Elite, die Europa vorm politischen und gesellschaftlichen Abgrund
bewahren – und gleichwohl einen identifikatorischen
Zusammenhalt schaffen sollen – scheitern.
Ein geistiges Europa hat es nie gegeben.
Die Idee von Europa basiert auf wirtschaftlicher und justizieller Zusammenarbeit in den 1950 Jahren und vor dem Hintergrund des Schreckens unzähliger europäischer Kriege, deren letzten beiden aufgrund von Stellvertreterkriegen und Kolonialbesitzungen in Weltkriege übergegangen sind.
Ein geistiges Europa, abgesehen von der antiken Poleis des
hellenistischen Griechenlands, offenbart sich im 21. Jahrhundert lediglich in
Abgrenzung und erst darüber hinaus in wirklichen kulturellen Errungenschaften. Die
populistische Abgrenzung zur Türkei wird dabei am stärksten im Medienkanon der
europäischen Rechten thematisiert, wie auch die Ost-/ Südost-Erweiterung der
Union und in der europäischen Bankenkrise. Alles Themen, die zwar wie die
Konzeption der gemeinsamen Währung auf Inklusion, bzw. Exklusion setzen, aber
deren Sinn nicht in der Schaffung einer europäischen Kulturlandschaft liegt.
Die gemeinsame Kulturbeschwörung des europäischen Abendlandes
dient häufig lediglich den Märkten: liberalisierte Finanz- und Handelszonen und
die Schaffung des größten Binnenmarktes der Welt. Die beiden am häufigsten zitierten
Errungenschaften – Euro und Schengen – nützen in erster Linie Unternehmen und
Konzernen, um die Kosten für Zoll und Handel zu harmonisieren und damit
Wettbewerbsvorteile gegenüber US-amerikanischen und asiatischen Märkten zu erzielen.
Und erst an zweiter Stelle dem Bürger, dessen Gewinn nicht ursprünglich ihm
diente. Die Segnungen einer politischen und geistigen Union müssen sich an
einem europäischen Volk orientieren und nicht eine
Fiskalunion als Maß aller Dinge preisen.
Wenn darüber hinaus ein Europa der Menschenrechte an seinen Außengrenzen
das Gesicht des kühlen Bewahrers von Reichtum und Wohlstand zeigt, anstatt den
sich sehnenden ausländischen Menschen nach eben dieser Freiheit und
Menschenwürde Einlass zu gewähren, ist eine Verteidigung dieses Europas nicht
selbstverständlich oder gar hinreichend. Viel eher kann diese Verteidigung nur als Anlass begriffen
werden, die bestehenden Verhältnisse zu verändern und die Menschen zu unterstützen,
die das Recht auf Menschenwürde verlangen aber außerhalb der europäischen Grenzen geboren wurden. Das Europa der Menschenrechte endet bis heute an den
Grenzzäunen in Ceuta und Melilla auf dem afrikanischen Kontinent, in Flüchtlingsunterkünften
auf Lampedusa oder an der offenen griechisch-türkischen Grenze. Das ist nicht
mein Europa.
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