Sonntag, 14. Oktober 2012

Antwort auf Bernd Ulrich: Kreuz mit Haken. DIE ZEIT Nr. 42 / 11.Oktober 2012

Woher rührt diese Arroganz mit der Herr Ulrich spricht, wenn er frontbildlich schreibt, dass die Bundesrepublik trotz des eisigen Windes, der ihr entgegenweht, für die europäische Solidarität steht? Eher grotesk erscheint sie mir aufgrund der bestehenden Verhältnisse. „Wir müssen beileibe nicht dafür gelobt werden, dass [wir] anderen Ländern unter die Arme greifen“. Nur weil Opponenten des Bundestages den Fiskalpakt populistisch in „Hartz 4 für Europa“ kleiden, ist die Botschaft dahinter nicht obsolet.
Weiterhin bezeichnet Ulrich die Nazi-Abbildungen und hakenkreuztragende griechische Demonstranten keineswegs nur als geschmacklose Phänomene am Rande der Gesellschaft, sondern bläht ihre Bedeutung damit zu fast staatstragender Dimension auf. Mit Verlaub Herr Ulrich, aber Sun und Daily Mirror warten zu fußballerischen Großveranstaltungen regelmäßig mit diesen Vergleichen auf,  but who cares? Wobei der einzige Grund, warum die BILD nicht mit ähnlichen Vergleichen aufwartet, wohl im historischen Ausgang des Jahres 1945 liegt. 

Und dann noch dies: „Eines der wichtigsten europäischen Ereignisse der vergangenen vier Jahre ist eines, das nicht stattgefunden hat.“ Wie überzogen und selbstverliebt kann man schreiben, um ein deutsches, singuläres Phänomenen (das so wunderlich nicht ist, s.u.) als so bedeutsam darzustellen, wogegen die Bankenkrise und die Veränderung der Institutionen der Europäischen Union wahrscheinlich lediglich Randphänomenen für Sie sind. Keine der etablierten Parteien hat ernsthaft versucht, einen Wahlkampf gegen Brüssel oder gegen Griechenland zu führen. Ist nicht genau das Gegenteil der Fall? Als willkürliche Stichworte seien hier die Debatte um die ersten Milliarden für das griechische Rettungspaket kurz vor der Landtagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalen genannt, Eurobonds und Schuldenunion oder das Bild der eisernen Kanzlerin, die unser Geld schützt. Erinnern sie sich? Wenn man dann der Frage nachgeht, warum bis heute keine europafeindliche Partei in Deutschland über die 5% Hürde klettern konnte, liegt der Grund doch nicht an der Weitsicht des per se tugendhaften und toleranten Deutschen. Sondern allein daran, dass CDU/CSU und FDP die Stimmen am euroskeptischen Rand immer wieder gekonnt zu fischen verstehen. Wenn etwas gelingt, war es Berlin/München/Merkel, usw. Wenn etwas misslingt, war es Brüssel. Diese Argumentation ist so einfach wie bekannt und natürlich nicht nur in Deutschland weit verbreitet.

Und noch etwas: Weghören und Übergehen bedeutet kultureller Fortschritt, gar Stil und Reife für Sie? Das ist nicht mein Deutschland, von dem sie hier schreiben.

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