Woher rührt diese Arroganz mit
der Herr Ulrich spricht, wenn er frontbildlich schreibt, dass die
Bundesrepublik trotz des eisigen Windes, der ihr entgegenweht, für die
europäische Solidarität steht? Eher grotesk erscheint sie mir aufgrund der bestehenden
Verhältnisse. „Wir müssen beileibe nicht dafür gelobt werden, dass [wir]
anderen Ländern unter die Arme greifen“. Nur weil Opponenten des Bundestages den
Fiskalpakt populistisch in „Hartz 4 für Europa“ kleiden, ist die Botschaft
dahinter nicht obsolet.
Weiterhin bezeichnet Ulrich die
Nazi-Abbildungen und hakenkreuztragende griechische Demonstranten keineswegs
nur als geschmacklose Phänomene am Rande der Gesellschaft, sondern bläht ihre
Bedeutung damit zu fast staatstragender Dimension auf. Mit Verlaub Herr Ulrich,
aber Sun und Daily Mirror warten zu fußballerischen Großveranstaltungen
regelmäßig mit diesen Vergleichen auf,
but who cares? Wobei der einzige Grund, warum die BILD nicht mit ähnlichen
Vergleichen aufwartet, wohl im historischen Ausgang des Jahres 1945 liegt.
Und dann noch dies: „Eines der
wichtigsten europäischen Ereignisse der vergangenen vier Jahre ist eines, das
nicht stattgefunden hat.“ Wie überzogen und selbstverliebt kann man schreiben,
um ein deutsches, singuläres Phänomenen (das so wunderlich nicht ist, s.u.) als
so bedeutsam darzustellen, wogegen die Bankenkrise und die Veränderung der
Institutionen der Europäischen Union wahrscheinlich lediglich Randphänomenen
für Sie sind. Keine der etablierten Parteien hat ernsthaft versucht, einen
Wahlkampf gegen Brüssel oder gegen Griechenland zu führen. Ist nicht genau das
Gegenteil der Fall? Als willkürliche Stichworte seien hier die Debatte um die
ersten Milliarden für das griechische Rettungspaket kurz vor der Landtagswahl
2010 in Nordrhein-Westfalen genannt, Eurobonds und Schuldenunion oder das Bild
der eisernen Kanzlerin, die unser Geld schützt. Erinnern sie sich? Wenn man dann
der Frage nachgeht, warum bis heute keine europafeindliche Partei in
Deutschland über die 5% Hürde klettern konnte, liegt der Grund doch nicht an
der Weitsicht des per se tugendhaften und toleranten Deutschen. Sondern allein daran,
dass CDU/CSU und FDP die Stimmen am euroskeptischen Rand immer wieder gekonnt
zu fischen verstehen. Wenn etwas gelingt, war es Berlin/München/Merkel, usw. Wenn
etwas misslingt, war es Brüssel. Diese Argumentation ist so einfach wie bekannt
und natürlich nicht nur in Deutschland weit verbreitet.
Und noch etwas: Weghören und Übergehen
bedeutet kultureller Fortschritt, gar Stil und Reife für Sie? Das ist nicht
mein Deutschland, von dem sie hier schreiben.
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